Rückblick Spielwarenmesse Nürnberg 1969 – H0-Modellbahn vor 50 Jahren
Kaum bemerkt: der Wechsel H0 Ep. III/IV
Im Jahr 1969 dominierte die durch FLEISCHMANN und RÖWA in den Vorjahren gestärkte Baugröße N den Neuheitenmarkt bei der Modelleisenbahn in allen Segmenten und bei fast allen Herstellern. Für alle Anbieter aber galt auch, dass nun die Modelle mit den neuen „Computeranschriften“ zu bedrucken waren – eine Zusatzbelastung des Budgets.
Entsprechend spärlich waren die echten Neuheiten in H0:
- FLEISCHMANN stellt die SBB-Ellok Re 4/4 II in zeitgemäßer Detaillierung mit Einholmpantografen, eingerichtetem Führerstand und Maschinenraumkulisse vor, allerdings im Maßstab 1:85. In gleicher Baugröße bekommen die Schweizer auch noch einen älteren RIC-D-Zug-Gepäckwagen und die DB-Freunde einen aktuellen, verkürzten Containertragwagen mit zwei DB-Containern – auf der Messe noch ohne die ärgerliche Werbebedruckung. Dazu gesellte sich der moderne Großraumgüterwagen „SILLAN“, ebenfalls in 1:85. Niemand ahnte, dass 50 Jahre später FLEISCHMANN H0 Geschichte ist. Der "SILLAN"-Wagen wird 2019 als LILIPUT-BACHMANN-Neuheit angekündigt!
- GÜNTHER stellt den Metallguss-Bausatz der V188 vor.
- HERKAT zeigt ein Gleisbildstellwerk.
- KIBRI bringt eine variabel baubare Stahlfachwerk-Fußgängerbrücke und Holzfachwerkhäuser zur Ergänzung der für H0 maßstäblich deutlich zu klein geratenen Urach-Serie sowie einige maßstäblichere, modulare Häuser in sehr sachlichem Stil. Großen Anklang fand die erneut für H0 zu kleine Fabrik mit Sheddach und ein verlängerbarer Güterschuppen. Eine Doppelpackung mit DRG-Einheitswasserkränen ergänzte jede Bahnanlage.
- LILIPUT legte den DB-AB4üe-30 nun doch mit Taschenfenstern auf, natürlich mit „Computerbeschriftung“. Eine Anpassung der Gussform des B4y-30 an die Epoche III/IV erfolgt jedoch nicht, ebensowenig wird der AB4y-30 formtechnisch an die Ep. II angepasst. Zusätzlich verstärkte man das H0e-Angebot mit weiteren Zillertalbahn-Wagen und der Waldenburger Bahn.
- LIMA kündigte den ETA 150 / 515 sowie eine Auflage etwas fragwürdiger UIC-X-Wagen der DB mit LüP 25,5cm an.
- MERKER & FISCHER kündigte neue Herausforderungen für den geübten Selbstbauer an: Bausatz 98.8 mit Messingbausätzen der bayr. Lokalbahnwagen der 1890er Jahre, und diverse Fahrzeuge aus der Übernahme der HEINZL-Modellreihe, teilweise mit neuem Fahrwerk.
- MÄRKLIN bereitete die Abkehr vom Blechgleis vor und stellte deshalb das zeitgemäße „K-Gleis“ mit Kunstoffschwellen ohne Bettung, mit flachen Weichenantrieben und mit recht unauffälligen PuKos vor. Neue Lichtsignale, z. T. mit Schaltrelais für dieses Gleissystem wurden ebenfalls gezeigt. Neu Wagen waren der SBB-Speisewagen, ein Säuretopfwagen, die dreiachsigen Umbauwagen (nur B3yg und BD3yg), der TEE-Aussichtswagen ADümh, ein BTmms58 mit 2 HAPAG-LLOYD-20‘-Containern. In diesem Jahr lag der Angebotsschwerpunkt auf dem neuen Gleis und dem neuen „Spur I“-Programm (dieses ohne Mittelleiter).
- PEETZY-ROCO stellte diverse 1:90-Militärfahrzeuge vor.
- PAUL M. PREISER versorgte die Modellbahner nicht nur mit Figuren, sondern auch mit für anspruchsvolle Gestaltung geeignetem Landschaftsbaumaterial.
- QUICK stellte fast maßstäbliche Bachstein-Fabrikgebäude in H0 vor, die eher in USA lokalisierbar waren.
- RIVAROSSI kündigte die Großdiesellok V320 / 232 im Maßstab 1:82 an und adaptierte einige südeuropäische Wagenmodelle für den deutschen Markt.
- RÖWA zeigte den modernen, voll elektrisch bewegbaren Einheits-Container-Kran der DB sowie den vierachsigen Containertagwagen Sss-y716 mit feinsten, klappbaren Rungen und enger Kuppelbarkeit, einen Schüttgutwagen „TREVIRA“, aus den ehemals für TRIX gefertigten Formen die T3, auch als DR-Schlepptenderlok der Oderbruchbahn, die preußischen Zwei- und Dreiachser mit Oberlicht auch in Ep. I und für den 2-achsigen Containertragwagen die Kugelbehälter „Von Haus zu Haus“.
- ROT zeigte zum Einsatz mit dem Mehrzugsystem ein Fahrpult mit Bremsfunktion und Nothalt.
- SCHREIBER importierte Modelle vieler Hersteller und zeigte von PIKO die E11 und die i-Kupplung.
- VAU-PE zeigte erneut fast maßstäbliche Gebäude, eine Kirche, eine Loktankstelle für das BW, einen Backstein-Fachwerk-Lokschuppen und den modernen Bahnhof „Seefeld/Tirol“.
- TRIX, nun ohne Willy Ade auf sich gestellt, zeigte eine „Glatzen“-E10 als 110 in blau, als 112 in TEE-Farbe sowie eine V164/217, alle mit schwarz durchgefärbten Fenstern. Im Vergleich zu FLEISCHMANN und RÖWA ist dies ein massiver Rückschritt in der Detaillierung. Alle Fahrzeuge aus ADE-Formen sind nunmehr aus dem Katalog gestrichen.
- VOLLMER zeigte in H0 nur drei Einfamilienhäuser in enger Anlehnung an existierende Vorbilder.
- WIKING stellte den schweren 3-achsigen MAN Sattelschlepper der kubischen Form mit kippbarem Fahrerhaus vor. Container bestimmten neben Formvarianten die weiteren Neuheiten, so auch ein Auflieger für einen 20‘-Container. Neue PKW: MB 250SE, Ro80, VW Pritsche T2, VW 411 LE.
Alles in allem ein dünnes Jahr für H0, viele Hersteller setzten ihre Hoffnung in andere Baugrößen N, 0, I und IIm.
Die Trennung zwischen ADE und TRIX hat sich bei TRIX deutlich negativ bemerkbar gemacht. FLEISCHMANN und RÖWA setzen den Markt einem hohen Druck durch weitreichende Detaillierung aus. Der von TRIX/ADE/RÖWA in den vergangenen 3 Jahren gesetzte Trend zu geringer verkürzten UIC-X-Wagen setzte sich in diesem Jahr nicht fort, war aber klares Thema in den Unternehmen und in der Branche. Viele Händler sperrten sich noch gegen diese zusätzliche „Komplikation“. Die nächste Messe 1970 wird aus unerwarteter „Ecke“ einen deutlichen Stimmungswechsel anstoßen.