Als "stille Neuheit" lieferte BRAWA 2020 den im Katalog als Vorratswagen bezeichneten und mit B3ygk klassifizierten Einzelwagen aus der Bauart der 3-achsigen Umbauwagen der Deutschen Bundesbahn aus.

 

BRAWA 46315 B3ygk
BRAWA 46315 B3ygk

Es war wohl, besser, auf diese Auslieferung nicht besonders deutlich hinzuweisen. Wie so oft bei BRAWA, liegen Leistung und Fehlleistung dicht beieinander. Für einen Katalogpreis von 69,- € ist das für mich diesmal nicht hinnehmbar (s. zusätzlicher Kommentar unten).

Der Wagen stellt in dreifacher Hinsicht ein Einzelstück dar und könnte deshalb als Idee die Modellbahner begeistern:

  • Es ist ein Wagen der Bauart der Eisenbahn des Saarlandes EdS, der in Details von der DB-Regelbauart abweicht. Diese Unterschiede hat BRAWA nicht herausgearbeitet.
  • Es ist ein einzeln laufender Wagen, im Gegensatz zu den stets paarweise laufenden Sitz- und Halbgepäckwagen. Dieser Tatsache hat BRAWA nicht Rechnung getragen.
  • Es ist ein bewirtschafteter Wagen, zunächst als WGC3y, ab 1956 als WGB3yg und im Modell als B3ygk beschriftet. Im die Nachbildung der Inneneinrichtung einzusparen, hat BRAWA die Fenster des Wirtschaftsabteils beidseitig geweißt. Das ist überaus ärgerlich, da die Inneneinrichtung modular konzipiert wurde und den Austausch der Einrichtung in diesem Bereich ermöglicht hätte. So aber ist das Modell einfach nur inakzeptabel.
BRAWA 46315 B3ygk
BRAWA 46315 B3ygk
B3ygk 90 231 Köl im Zugverband (Sonderfahrt Kölner Eisenbahn-Club), Webfund, Quelle unbekannt
B3ygk 90 231 Köl im Zugverband (mittl. Wagen, Sonderfahrt Kölner Eisenbahn-Club), Webfund (Link), Quelle unbekannt

Der Wagen gelangte nach Eingliederung der Eisenbahnen des Saarlandes 1956 im Laufe der folgenden Jahre in die BD Köln. Am Modell angeschrieben ist die Zuständigkeit des AW Saarbrücken, das diesen Wagen aus einem Bauzugwagen 1953 als EdS-Wagen 3 aufgebaut hatte. Das Untersuchungsdatum am Fahrzeug ist AW Sbr 30.8.62 Anfang der 1960er gelangte der Wagen nach Köln und wurde in Sonderzügen eingesetzt.
Der kleinere Raum des Wagens hatte zum Mittelgang auf der Nicht-WC-Seite eine Theke, einen halbhohen Kühlschrank an der Mitteltrennwand und an der Fensterseite eine Arbeitsfläche mit mehrflammigem Gaskocher. Die gegenüberliegende Seite hatte normale Sitzanordnung und, wie auch das 2.-Klasse-Abteil, Stecktische sowie das WC. Nichts davon ist am Modell erkennbar nachgebildet.

BRAWA 46315 B3ygk Küchenseite
BRAWA 46315 B3ygk Küchenseite
BRAWA 46315 B3ygk
BRAWA 46315 B3ygk

Pro:

Das Basismodell von BRAWA ist im Vergleich der Wettbewerbsmodelle derzeit sicher das beste Modell.

Der Wagen hat ein einwandfreies Rollverhalten.

Die Anschriften am Wagen sind vollständig und korrekt, allerdings mit Digitaldruck etwas auftragend und glänzen (rot).

Die Farbe RAL 6020 Chromoxydgrün ist für das Untersuchungsdatum korrekt und gut getroffen. Der Wagen ist sauber und weitgehend ohne Einschlüsse lackiert und mattiert.

Es wurde kein DB-Zeichen in Wagenmitte aufgebracht. Das deckt sich mit den wenigen Vorbildfotos aus 1963-1967. An dieser Stelle wurde scheinbar ein Zuglaufschild bei Bedarf aufgehängt.

BRAWA hat auch auf der Küchenseite den Wassereinfüllstutzen nachgebildet.

Man erkennt daraus, dass man eine genaue Recherche betrieben hat und auch die Absicht hatte, das Modell möglichst genau nachzubilden. Umso schlimmer wiegen die offensichtlich vorsätzlichen, groben Abweichungen:

Contra:

Im Prinzip ist das etwas rauh und matt ergraute Dach in betriebsverschmutzter Ausführung durchaus akzeptabel umgesetzt. Nur wurde gerade dieser Wagen relativ selten eingesetzt, sein helles Dach stach im Zugverband stets heraus.

Montagefehler: das Dach sitzt nicht formgenau auf.

Über der Küche war mittig ein Kuckuck-Lüfter angebracht. Er fehlt am Modell, obwohl mit dem AB3yg-Dach die passende Dachspritzform vorhanden gewesen wäre.

BRAWA 46315 B3ygk Dach ohne notwendigen Lüfter
BRAWA 46315 B3ygk Dach ohne notwendigen Lüfter

Als Einzelwagen hätte er auf beiden Seiten Halterungen oder eingebaute ZS-Leuchten haben müssen. Die meisten Modelle der Wettbewerber berücksichtigen die Unterschiede der beiden Wagenköpfe bei den Normalwagen nicht, BRAWA nimmt dies bei den eigenen Modellen jedoch genau - und nur hier folgerichtig und unnötig falsch.

 

BRAWA 46315 B3ygk
BRAWA 46315 B3ygk Wagenkopf Sitzbereich ohne Schlußleuchten oder -halterungen

Die Umbauwagen der EdS hatten eine abweichende Fensterkonstruktion. Das fiel vor allem durch die gerade Regenleisten auf dem oberen Quersteg des Fensterrahmens auf. Das hat BRAWA nicht nachgebildet. Bei geöffnetem Fenster hätten die abweichende Konstruktion der Hebefenster mit ihren geraden oberen Abschlüssen erkennen können. Da BRAWA keine geöffneten Fenster an diesem Wagen nachgebildet hat, fällt dies nicht auf.

Fertigungsmangel: Durch die unglücke und montageunfreundliche Konstruktion sind bei meinem Modell etliche Metallisierungen der Fensterrahmen bei der Fertigung beschädigt worden.

Fertigungsmangel: Die Griffstangen an den Einstiegen sind teilweise verbogen, weil nicht passgenau montiert.

Grundsätzlicher Fehler: Die Fenster des Wirtschaftsabteils sind auf beiden Seiten des Modells undurchsichtig geweißt. Beim Vorbild waren sie völlig klar (Foto: D. Bodek, Slg. Claus, Euskirchen 17. Juni 1967). Das ist ein entscheidender Fehler, der wohl die Anpassung der Inneneinrichtung ersparen soll.

Unter dem Rahmen fehlen auf der Sitzbereichsseite beidseitig die Lagerkästen für Leergut ("Bunker")

Der Wagen hatte 2 Generatoren (auf der beiden Seiten des Radsatzes, die zudem 110V-Generator waren (gut erkennbarer, größerer Durchmesser!).

Aufstiegstritte: Die Umbauwagen der EdS hatten nur 2 Trittstufen. Das Modell hat die üblichen 3-stufigen Trittstufen.

Fertigungsmangel: An meinem Modell fehlt ein Auftritt völlig.

FAZIT:

In der Summe haben wir also bei dem Modell für 69,- € einen massiven Nachbildungsfehler, der mangels Verfügbarkeit von Ersatzteilen nicht behebbar ist, Detailfehler, die teilweise gut behebbar sind und Fertigungsmängel, die unnötig oder konstruktionsbedingt sind. Wenn man doch wenigstens statt der weißen Farbe die Farbe der Vorhänge genommen hätte...

Insbesondere, da der Hersteller seit Jahren erhebliche Schwierigkeiten hat, marktgängige Ware zu liefern und die Händler regelrecht ohne Ware lässt, sieht man von den albernen Werbegüterwagen ab, muß man eine deutlich bessere Leistung erwarten können. Dieses "Modell" hat in Teilen Spielzeugniveau.

Ich werde diese Modell an den Händler zurückgeben, wenn BRAWA nicht wenigstens den fehlenden Tritt ohne Diskussion nachliefert. Dann bleibt immer noch die Aufgabe, die weiteren Fehler zu beheben, soweit sie offensichtlich sind.

Quellen:
Eigene Reise mit dem Wagen in einem Sonderzug
em 2/2009, Düsseldorf
EK-Sammelband Die deutschen Reisezug- und Güterzugwagen, Freiburg
Diskussionen in Webforen 2008-2020


Eine kleine Anmerkung zu Modellkritiken wie dieser:
Die Deutsche Bundesbahn hat im Betrieb die Fahrzeuge permanent überarbeitet. Anlass dazu gab es durch Änderungen von Vorschriften und Normen/Richtlinien der EBO und UIC, der Berufsgenossenschaft (DSG) und anderer Unfallsversicherer, zunehmenden Einfluß des Gesetzgebers (z. B. Hygienevorschriften ab 1970 auch für die Bahngastronomie), Einfluß betrieblicher Erfahrungen und Änderungen durch Instandhaltungsmaßnahmen sowie Sparmaßnahmen. Es ist für Modellhersteller nicht nur schwierig, wirklich ein Modell auf den Punkt nachzubilden, weil diese Änderungen bei jedem einzelnen dieser Wagen zu einem anderen Zeitpunkt erfolgten, auffällige Änderungen schränken auch den Absatz ein. So muss man in Kauf nehmen, dass ein Modell entweder in keinen Zeitraum perfekt "passt" oder aber nur für einen sehr eingeschränkten Zeitraum passend ist. Mitunter ist auch die Art der Recherche und die Auswahl der Quellen entscheidend - das lehrt die Fensterdiskussion beim A.C.M.E.-BRbuüm. Wer prüft schon Fenster beim "Carstens"? Meine Arbeit ist es, mögliche Unterschiede auszuarbeiten, nicht aber, ein im Grunde gutes Modell zu verdammen. Ausnahmen, die nicht hinnehmbar sind, gibt es aber auch. Dazu gehört der hier betrachtete Wagen mit zentralen Unstimmigkeiten. Eine gewisse "Plausibilität" erwartet auch der Käufer. Hier gehe ich von kalkulatorisch gesteuertem "Verzicht" auf eine angemessene Ausführung aus. Der Vorteil wurde nicht an den Kunden weitergegeben.
Die "Epoche" ist meist keine Hilfe, der einzig wirklich verlässliche Unterschied z.B. zwischen IIIa und IIIb sind die Klassenziffern. Wagen wie dieser ohne Klassenziffern sind die Ausnahme - alles andere war fliessend.


Alle Fotos und Text, soweit nicht anders vermerkt Will Berghoff © 6/2020 Stand 23.11.2020