1930 beschaffte die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft, Gruppenverwaltung Bayern, für den Einsatz auf der elektrifizierten Strecke München-Garmisch-Innsbruck bei M.A.N. 12 Reisezugwagen (5 B4üp-bay, 7 C4üp-bay), einer Sonderbauart mit Pullmann-Sitz-Anordnung (Großraum mit Mittelgang).
Aus dem laufenden Fertigungsprogramm der Einheits-Schnellzug-Packwagen wurden insgesamt 8 Wagen mit Küche für diesen Dienst vorgesehen. Die Wagen erhielten seinerzeit eine auffällige, weiss-blaue Sonderlackierung. Mit diesem Zug konnte man die landschaftliche Attraktivität der Strecke besser vermarkten. 1932 beschaffte die DRG weitere Sitzwagen und Gepäckwagen mit Küche, diesmal auf Basis der Einheits-Eilzugwagen.
Die Sitzwagen hatten zunächst Drehgestelle der bayerischen Bauart (nach Zeichnung MAN 19 152a), einige Jahre später tauschte man diese gegen Einheitsdrehgestelle der Bauart "Görlitz III leicht". Ein Teil der Wagen war noch bis 1983 bei der DB im Einsatz und der Verwendungsgruppe 30 zugeordnet. Der Wagen 72 044 ist im Technikmuseum Speyer noch vorhanden, der Wagen 25 001 beim BEM in Nördlingen.
Liliput liefert folgende Wagen der ersten Bauart seit 2009 in der Ausführung DB Ep. IIIb:
L334536 A4ye-29b, 25 001
L334556* Packwagen Pw4ye-29, 105 274 Mü (richtig wäre die Bezeichnung Pw4üe-29)
Hinweis: vorbildgleicher Wagen von Roco (#45663) in letzter Lieferung war RAL 6007!
Alle Wagen sind in RAL 6020 Chromoxydgrün seidenmatt lackiert und haben eine schwarze Brüstungsleiste. Die mit * markierten Modelle haben einseitig einen eingezogenen Faltenbalg bereits montiert für den Einsatz als Endwagen.
Ein Vorbildwagen: Aüe 25 001 des BEM Nördlingen:
Mir liegt nur der Sitzwagen L334537 vor, daher beziehen sich alle Anmerkungen nur auf dieses Modell. Der Gepäckwagen wurde von mir bereits 2008 kommentiert.
Der Wagen ist maßhaltig. Die Griffstangen an den Einstiegstüren sind silberfarben matt und einzeln eingesetzt. An den Kopfseiten befinden sich Aufstiegsleitern zum Dach und an den Dachkanten Oberwagenlaternenhalter. Die Puffer sind fest. Die Auftritte sind am Drehgestell angebracht. Die Fenster sind mit feinen, silbernen Rahmen in glaubwürdiger Tiefe eingesetzt. Die Inneneinrichtung ist typisch für die Bauart, mehrteilig, damit mehrfarbig und mit freistehenden Gepäckablagen ausgeführt. Die Faltenbälge haben angesetzte Details. Die Fenster sind vorbildgerecht größer als bei den 28er-Einheitbauarten, denn die Wagen sind als "Aussichtswagen" für die touristische Bereisung der Karwendelbahn angepasst.
Meine Detailbetrachtung:
- Die gewählte Farbe RAL 6020 ist fraglich, da nur wenige Altbauwagen der DB nach der Vollaufarbeitung in den 1950er Jahren vor 1966 eine Neulackierung erhalten haben. Daher vertrete ich den Standpunkt, dass diese Wagen in Ep. IIIb RAL 6007 als übliche Anstrichfarbe trugen.
- Die Anschriften sind vollständig, gut lesbar und in den unterschiedlichen, richtigen Farben aufgebracht. Das Zuglaufschild ist aufgedruckt.
- Die Fensterrahmen sind eine form- und lackiertechnische Meisterleistung, aber weitgehend überflüssig, da bei den Taschenfenstern nur im geöffneten Zustand der obere Fensterrahmensteg sichtbar wurde. Möglich, dass die Rahmen bei Wagen im Neuzustand vor dem Einfluss des Betriebes sichtbar waren - ein Werksfoto eines 1949 abgelieferten Versuchs-Wagens B4ygwe zeigt Taschenfenster mit sehr schmal sichtbaren Rahmen. Im Betrieb verschmutzten und korrodierten diese so schnell, dass sie nicht mehr erkennbar waren. Der Mittelsteg im WC-Fenster dürfte die Wagenfarbe getragen haben. Die Fenstergriffe sind fein angraviert.
- Der Abstand von der Fensteroberkante zur Dachkante ist zu groß.
- Die Fensterbrüstung liegt um mehrere mm zu tief.
- Die angesetzten Griffstangen sind sehr fein, ebenfalls eine Meisterleistung. Sie sitzen aber zu weit innen.
- Die Türen sind augenscheinlich zu niedrig, der Abstand zwischen Türoberkante und Dachkante auffällig groß.
- Die Türklinke steht waagerecht - bei der Bahn müssen die Klinken mit dem Griffende schräg ca 45° nach oben zeigen, wenn die Tür sicher geschlossen ist.
- Die aufgebrachten Niet-Nachbildungen sind sehr fein und vom Lack nicht nachteilig verändert.
- Die Kopfleitern sind überflüssig, da ab 1958 vollständig entfallen, bei elektrischem Zugbetrieb bereits 1952 in der Höhe halbiert. Elektro-Warnpfeile fehlen.
- Die Schlusskennzeichenhalter am Dach sind überflüssig, da mit Entfall der Leitern auf 1/3 Höhe des Kopfes auf Blechstreifen angebracht. Brawa, Fleischmann und Roco haben die bei den Einheitseilzugwagen längst korrekt dargestellt.
- Die Drehgestelle (Neukonstruktion) sind leider sehr flach graviert und glänzend. Das konnte Liliput früher besser. Die Bremsen sind auf Laufflächenebene eingesetzt, eine Riemen-Lichtmaschine ist vorhanden. Die Räder haben Laufkränze am unteren Ende der NEM 310, aber noch nicht NEM 311.1. Wenn ich das richtig sehe, sind unter dem Wagen Drehgestelle der älteren "Bauart Görlitz II schwer". Richtig wären aber die Drehgestelle der Bauart "Görlitz III leicht".
Diese Drehgestelle findet man z.B. bei Roco und Fleischmann unter den Einheitseilzugwagen der E30-Bauart. - Die vorbildwidrig, aber lauftechnisch wohl erforderlich an den Drehgestellen angebrachten Aufstiegstritte haben ungewöhnlicherweise eine Abschrägung der Trittflächenebene nach aussen - für H0-Reisende besteht höchste Unfallgefahr. Formtechnisch kann eine solche Schräge notwendig sein, wird dann aber an der Unterseite der Tritte angebracht!
- Der Unterboden ist nur flach detailliert. Der Batteriekasten ist fein angesetzt. Die Puffer sind feststehend und ungefedert.
- Die Faltenbälge weichen in ihrer Nachbildung vom heute üblichen Standard ab. Die Traghalterungen sind auf halber Tiefe statt am äusseren Rahmen angebracht. Das macht keinen Sinn, erspart aber eine weitere Form für den eingezogenen Faltenbalg. Die Tragbügel sitzen zu tief. Schön sind die innen angebrachten einzelnen Seitenbügel, die an den WLAs4üe-50 von RailTop erinnern. Außen erkennt man die Haken zum Festsetzen der eingezogenen Faltenbälge.
Hier plädiere ich seit Jahren, wie auch bei den diversen Einheitsdrehgestellen für eine gemeinsame technische Basis der Industrie, um diese Einheitsbauteile des Vorbildes auch beim Modell einheitlich aussehen zu lassen. Ein eingezogener Faltenbalg liegt zum Austausch bei. Die Höhenlage der Faltenbälge unterscheidet sich z. B. von Roco. - Die Inneneinrichtung ist sehr schön detailliert und mehrteilig sowie mehrfarbig ausgeführt. Sogar die kleinen Fenstertische sind einzeln angesetzt! Die Farbe der Sitze ist jedoch selbst für Holzbänke im Neuzustand zu hell. In Ep. IIIb hatten die Wagen in der 2. Klasse keine Holzbänke mehr, sondern Polsterbänke. Ob diese Polster bei diesen Wagen rot oder grün waren, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, wahrscheinlich ist grün. Somit ist hier Nacharbeit mit dem Pinsel angesagt.
- Ein großer Fehler ist dem Konstrukteur auf dem Dach passiert. Die Lüfter sind beim Vorbild in etwas unregelmäßiger Weise beidseitig der Mittellinie angeordnet. Beim Modell gibt es nur die 5 Lüfter auf der Nicht-WC-Seite.
- Die Wagen sind zum Einbau der Bachmann-Innenbeleuchtung vorgesehen.
Fazit: Viel mehr Licht als Schatten - die Wagen sind unbedingt empfehlenswert und der Kaufpreis von ca. 39 € völlig angemessen. Für die Freunde der Ep. II DRG gibt es die Wagen in der sehr attraktiven hellblau/dunkelblauen Lackierung, eine Ausführung für die DR Ep.III ist angekündigt. Mit ein wenig Bastelaufwand lassen sich alle kleinen Mängel mit viel Spaß und Erfolgsgarantie beheben.
- Aufstiegstritte, geätzt, für 28er gibt es bei Weinert.
- Dachlüfter gibt es in vielen Ausführungen, man tauscht am besten alle aus.
- Schlusshalter sind als Ersatzteil für die Roco-Einheitseilzugwagen lieferbar oder leicht aus Messingstreifen selbst herzustellen.
- Bessere Drehgestelle gibt es von Fleischmann, Piko und Roco.
Eine Warnung für den auch von Liliput-Bachmann angebotenen 2. Zug (blau-weiß) aus 8-Türern der E30-Bauart: Dieser Zug basiert auf den Modellen von 1970 und ist nicht einmal ein Viertel des aufgerufenen Preises wert.
Text und Fotos, soweit nicht anders vermerkt ©Will Berghoff 2021 - Produktphotos sind verlinkt bei https://www.hattons.co.uk. Hattons ist eine sehr gute Quelle für Produkte von Liliput-Bachmann, wenn auch durch den Brexit nicht mehr so einfach nutzbar.